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Zu den Grotten der Ahnen

Rock art, Gulf of Berau, West Papua

Felsbilder in Neuguinea - ihre Wiederentdeckung in der Tropenwildnis


Film für ARTE Magazin Metropolis

00,00 Seit der Kolonialzeit verbinden Passagierdampfer die Inseln des indonesischen Archipels, bis nach Neuguinea - der letzten großen Tropenwildnis am Rande der Südsee.

Neuguinea blieb größtenteils unerforscht. Viel uraltes Kulturgut ging verloren, als die westliche Zivilisation eindrang. Doch jetzt besinnen sich die einheimischen Papuas wieder ihres historischen Erbes; dabei verfolgen sie auch die Spuren früherer Expeditionen zur Kolonialzeit.

00,24 Im Jahre 1937 entdeckte und dokumentierte die deutsche Frobenius – Expedition etwa 30 sehr bedeutende und geheimnisvolle Felsbildstellen an der Küste des MacCluer-Golfes im südlichen Neuguinea – dem heutigen Golf von Berau.

Während der Bombenangriffe auf Frankfurt am Main 1944 wurden allerdings ein Großteil der im Gelände angefertigten Farbkopien und Photos, sowie alle archäologischen Funde zerstört. Erst 1959 konnten Josef Röder und Albert Hahn das gerettete Material veröffentlichen.

Seither hat sich kein Wissenschaftler mehr um dieses einzigartige Kulturgut gekümmert. Es geriet in Vergessenheit. Einige Bilder zeigen deutliche Spuren des Verfalls.

01,09 Der Magier und Heiler Idris Dailon hatte in der Provinzstadt Sorong von den Felsbildern gehört und sich aus Amsterdam eine Kopie des Buches von Röder beschafft. Nun ist er hierher gekommen, um den Spuren der Expedition von 1937 nachzugehen und gemeinsam mit den Alten der Dörfer am Golf von Berau die Bedeutung der uralten magischen Darstellungen zu ergründen.

Früher haben die Dorfbewohner unter den Felsbildern ihre Toten in reich verzierten Holzsärgen beigesetzt; die Gebeine der Ahnen fanden in den Felsnischen über dem Meer eine geheiligte Ruhestätte.

Von der Insel Arguni im Golf aus erforschte die Frobenius – Expedition damals die umliegenden Felsbildstellen entlang der Küste.

02,00 Der Raja von Arguni behielt auch unter der heutigen indonesischen Verwaltung die höchste Autorität über das Gebiet der Felsbilder. Sein Großvater gewährte der Expedition während der drei Monate Feldarbeit gastliche Aufnahme und viel Unterstützung.

Achmed Pauspaus, der hochbetagte Onkel des Königs erinnert sich noch lebhaft an die Deutschen. Er hat sie persönlich zu den Felsbildstellen geführt – vor 65 Jahren.

O-Ton Raja: „Die Deutschen waren hier vor dem Krieg gegen die Japaner“.

02,29 Ausfahrt zur Bildstelle Tabulinetin ( bedeutet: “Schall der Muscheltrompete“).

Das wildzerklüftete Oningebirge reicht hier bis zur Küste. Es setzt sich in der Bucht als Inselgruppe fort.

02,48 Die Bildstellen liegen geschützt unter dem Felsdach von Steilwänden in den vom Meer ausgehöhlten Brandungsgalerien.

02,57 Achmed Pauspaus und sein Gast Idris Dailon diskutieren angeregt über die Bedeutung der Bilder: sie sind fasziniert, denn dies sind die einzigen Zeugnisse der Vorfahren. Sie mögen mehrere hundert Jahre oder sogar mehrere tausend Jahre alt sein.

03,05 Fische mit „Blutstrahlen“ (auf Bild) – wie Röder annimmt – sollten wohl gute Fänge beschwören. Das Sonnensymbol spielt auch in Mythen der heutigen Bevölkerung eine Rolle.... ( ausführen, soweit die Zeit reicht). Die weiße Figur (auf Bild 03,16) ist sicherlich erst später hinzugefügt.

03,23 Das weitaus häufigste Motiv sind ummalte Abdrücke von Händen. Rötel und Ockerfarbe herrschen vor. Es sind dies sehr beständige mineralische Erdfarben.

Ähnliche Handabdrücke hat eine französische Forschergruppe erst vor wenigen Jahren auf der Insel Borneo entdeckt. Doch ist hier am Golf von Berau die Felsbildkunst wesentlich reicher und vielseitiger.

Es sind dies die bedeutendsten Felsbilder im indonesischen Archipel. Sie könnten wesentliche Einblicke vermitteln in die Kulturzusammenhänge zwischen SO Asien und dem australischen Kontinent. Doch gibt es bisher weder eine Altersbestimmung noch eine eingehende vergleichende Analyse ihrer Bedeutung: Der Ethologe Josef Röder und der Künstler Albert Hahn haben zwar 1937 in sorgfältiger Geländearbeit eine möglichst umfassende Dokumentation der Bildstellen und der mündlichen Überlieferungen der Eingeborenen unternommen, doch kam es nicht zu einer weiterführenden Untersuchung. Und die Belegstücke zu einer Alterbestimmung gingen in den Trümmern des Bombenkrieges verloren....

03,46 Idris deutet die Handabdrücke als gemeinschaftliche Markierungen des Lebensraumes der damaligen Bewohner in dieser fischreichen und geschützten Landschaft am Golf von Berau.

04,17 Nur vereinzelte Dörfer liegen heute an der Festlandsküste der Bucht. Alle haben den islamischen Glauben bereits in vorkolonialer Zeit von den benachbarten Molukkeninseln übernommen.

Zu ihren Felsbildern haben die Älteren im Dorf immer noch eine mystische, enge Beziehung. Die Bildstellen werden weiterhin als heilige Stätten in Ehren gehalten. Zur Zeit der Frobeniusexpedition wurden die Felsbildstellen allerdings häufiger durch Opfer verehrt als heutzutage.

04,46 Nahe dem Ort Furir liegt die Höhle Sosora. Nach der Überlieferung lebten alle Vorfahren vor langer Zeit in dieser und anderen Höhlen: erst Grabungen können über die frühen Phasen der Siedungsgeschichte Aufschlüsse geben.

05,06 Idris hat die Kopie von Röder’s Buch mitgebracht. Die Dorfleute staunen; sie finden darin mehrere ihnen bekannte Felsbilder. Zum ersten Mal seit der Expedition vor 65 Jahren haben auch die Einheimischen Zugang und Anteil an deren Ergebnissen. Niemand hat Ihnen bisher die kulturgeschichtliche Bedeutung ihres Felsbilder deutlich gemacht. Die traditionelle Ehrfurcht vor diesen Zeugnissen einer wesentlich früheren Papuakultur besteht zwar fort, doch gab es keine weitere Motivation für den Schutz der Felsbilder oder irgendwelche Bemühungen zu ihrer Konservierung.

05,25 An den Wänden dieser Höhle sind Liniengebilde in schwarzer Farbe erkennbar: ihre Bedeutung ist völlig rätselhaft. Ausführen...

05,47 Sosora liegt an der Festlandsküste. Auf kleinen Felsinseln davor hatten die deutschen Forscher die großartigsten Bildstellen gefunden: Sora und Abba. (Einige Würdenträger aus dem Dorf fahren mit dorthin).

06,00 Vor Jahrmillionen hat sich das Land in dieser Region gehoben. Die fossilen Brandungshohlkehlen liegen deshalb mehrere Meter über dem gegenwärtigen Meeresniveau. Eindrucksvolle Tropfsteinsäulen sind seither dort gewachsen. In diesen weithin sichtbaren Galerien leuchten die Felsbilder: neben abstrakten Zeichnungen sind Kompositionen von Handabdrücken, aber auch Darstellungen von Geisterwesen und Gegenstände des Alltags, z.B. Kämme erkennbar. Weiter ausführen ...


06,34 Die geöffnet präsentierte Hand ist ein Ursignal der Menschheit in der sozialen Verständigung. Vielleicht das älteste überhaupt. Es entstand mit dem aufrechten Gang, als sich die Vordergliedmaßen vom Boden befreiten und ihre erst dann möglichen vielfältigen Funktionen übernahmen.

06,39 Idris meint, es seien auch Hände von Frauen und Kindern dargestellt. Einige scheinen von Toten zu stammen, denn sie sind am Arm abgeschnitten, oder stark aufgequollen. Auch Hände mit amputieren Fingern entdecken Idris und sein Magier“kollege“ aus dem Dorf.

07,07 Nahe bei Sora liegt die Bildstelle Abba mit den am besten erhaltenen großflächigen Gemälden. Hier wird die künstlerische Ausdruckkraft auch in der Komposition der Motive in einem mehrere Meter breiten zusammenhangenden Bildwerk deutlich. Bei genauerem Hinsehen erkennt man Übermalungen aus späterer Zeit ( aber ebenfalls sehr alt). Röder hat im Felsbildgebiet vier verschiedene Stilrichtungen unterschieden. Abba kennzeichnet eine großflächige, plakative Darstellung.

Weder die UNESCO noch sonst eine internationale oder nationale Institution hat nach dem Weltkrieg dieses global bedeutende Kulturerbe zur Kenntnis genommen, geschweige denn Maßnahmen zur Konservierung und exakten Dokumentation unternommen. Die Aufnahmen entstanden Anfang 2002. Seither ist aus politischen Gründen dieser Teil Neuguineas weitgehend verschlossen worden. So ist das weitere Schicksal der Felsbilder völlig ungewiss.


07,56 Der Häuptling des Dorfes Darembang ( zu dessen Bereich die Bildstelle Abba gehört) bringt den Ahnen ein Opfer dar. Die traditionelle animistische Religion konnte sich im Islam mehr erhalten als vergleichsweise in christlichen Dörfern. Der Islam erweist sich hierbei sehr tolerant. Zur Zeit der Frobeniusexpedition war dies noch deutlicher. In jüngster Zeit, während der vergangenen Monate sind allerdings auch in diese abgeschiedene Weltgegend militante muslimische Organisationen vorgedrungen, vor allem die von den Molukken übergreifende Bewegung Laskar Jihad. Die alte friedvolle Harmonie der Tradition mit der modernen Religion ist damit ernsthaft gefährdet.

08,53 Auf der Rückseite des Insel Arguni ( dem Sitz des Raja) liegt versteckt eine riesige Höhle. Sie gibt als heiliger Wohnort der Vorfahren. Die zeremonielle Handlung vor dem natürlich entstandenen Steinbild ist wiederum dem Islam entnommen.


09,11 Hier, in der stillen Bucht Risatot haben Röder und seine Begleiter einige sehr bedeutende Felsbilder entdeckt. Allerdings ist deren genaue Position sogar dem alten Führer von damals nicht mehr in Erinnerung geblieben. Bei Ebbe suchen die Männer zunächst vergebens nach den vergessenen Bildern.

09,23 Dabei finden sie die gut erhaltene Darstellung dieses Fisches. Sie ist nicht im Buch erwähnt.

09,29 Erst nach langer Suche entdeckt Idris hinter Tropfsteinsäulen die einzigartige Darstellung einer menschlichen Figur und eines Kanus mit stehenden Paddlern. Im Buch ist sie viel besser erhalten dargestellt. Da es aber keine Photos von damals erhalten sind, muss offen bleiben, ob die Darstellung seither verwittert ist, oder ob der Künstler Albert Hahn beim Abpausen die Fehlstellen ergänzt hat.

09,53 Seit Menschengedenken paddeln die Dorfleute ihre Kanus in sitzender Haltung. Die Darstellung aufrecht stehender Paddler gehört folglich zu einer weit zurückliegenden Kultur.

09,58 In der fossilen Brandungsgalerie von Risatot spüren die Männer auch zwei weitere figürliche Darstellungen auf, die hier während der Frobeniusexpedition hier entdeckt wurden. Allerdings ist auch deren Erhaltungszustand deutlich schlechter als im Buch dargestellt. Ausführen...

10,08 Das von Röder als „Figur mit Schlange“ interpretierte Bild erweist sich in der Videoaufnahme als Überschichtung zweier figürlicher Darstellungen. Damals hatten die Forscher zur Dokumentation nur sehr bescheidene technische Hilfsmittel zur Verfügung. Es muss nun bald eine gründliche wissenschaftliche Analyse, Datierung und Sicherung dieses einzigartigen kulturellen Erbes der Papuas folgen – soweit es die verworrene Weltpolitik und die ethnisch-religiöse Konfrontation im Land der Papuas zulassen.

Die Felsbildstellen zusammen mit ihrer wunderbaren natürlichen Umwelt sollten baldmöglichst offiziell zum Weltkulturerbe erklärt werden, als großartiges Beispiel für die traditionelle enge Verbindung von Natur und Kultur...

Höchste Eile ist geboten: schon haben Industrie- und Holzkonzerne am Golf von Berau Fuß gefasst: die Zerstörung auch dieser wundervollen Landschaft steht unmittelbar bevor.

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Über Thomas Schultze-Westrum

Dr. Thomas Georg Hans SCHULTZE-WESTRUM Author of Scientific and Popular Publications Producer and Director of Documentary Films and Videos Adviser in Nature Conservation and Preservation of Rural Cultures Initiator of Conservation Programmes German national. Born 1937 (Berlin). Classical education at the Benedictine monastery of Ettal in Upper Bavaria. Graduate of Munich University, with degrees in Zoology, Geology and Cultural Anthropology (Ethnology). Scholarship by “Studienstiftung des deutschen Volkes”. Research (University of Munich, other scientific institutions) and publications on social and population physiology of marsupials and other vertebrate fauna of New Guinea and the Mediterranean Region, cultural anthropology, conservation and resource management on the village level, mainly in Greece and New Guinea. Author of the books “New Guinea” (Berne 1972) and “Biologie des Friedens” (Biology of Peace), Munich 1974. Dr. Schultze-Westrum has joined for several years the Commissions on Ecology and Environmental Planning of the International Union for the Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN). He is the founder of the working group (IUCN Commission on Ecology) “Conservation and Traditional Life Styles” 1979; the “ECOCULTURE” Movement 1981; the “Gesellschaft für die Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen” GEH (Society for the Preservation of Old and Endangered Breeds of Domestic Animals) 1981; and the non-profit-making society “KALLIERGIA”, for traditional agriculture and village conservation in Greece, 1993. As a consultant he has worked for the EU, IUCN, OECD and WWF. As a film maker he has produced, directed and mostly also shot, for German television and international TV networks, 75 documentaries, mainly ecological portraits with emphasis upon the integration of local and traditionally living people into conservation projects. His first film (1974) was about alternative (sustainable) utilization of tropical rainforests in New Guinea, for ZDF. Never Dr. Schultze-Westrum has entered any of his films into an award winning competition, because he is more concerned about the effects of his TV work in actual conservation and public awareness. One of these real awards was the creation of the Marine National Park Alonnisos Northern Sporades in Greece as a result of his film “The Coast of the Monk Seals” in 1976/77 for ZDF (ratings 36 % - shown in 11 countries). His programme “Green Desert”, about traditional water management in the Sultanate of Oman was distributed by the Television Trust for the Environment TVE to 44, mainly Third World, countries. Another leading aspect of his film work was the production of environmental films for the people of the country where he was filming. So, he produced the first TV series of films on ecology, rural life styles and conservation for Greece (in the early 80’s, 14 programmes) and for the Sultanate of Oman (late 80’s, 12 films). His deep interest in ancient human traditions inspired him to produce “Omani Seafaring”, for Oman TV; “Im Kielwasser Sindbads” (In the Wake of Sindbad), for the series Terra X of ZDF; and “Insel der Magier” (Island of the Sorcerers: Waigeo) for ARTE TV. After retiring from TV film production at the end of 2002 he is returning to his earlier scientific work (abandoned in the early 70’s) about the social and population physiology of marsupials ( Petaurus breviceps papuanus and closely related species); village based conservation; the evolution of human communal behaviour and cultural diversity; and the evolution of art styles in the Papuan Gulf province of New Guinea. Since 1992 he is also involved in eco- and agrotourism programmes that are based on his earlier promotion of this alternative “soft” tourism through publications and films, in Greece and West Papua. His conservation activities are continuously focussed on Greece and New Guinea, since 1957 and 1959, respectively. Dr. Schultze-Westrum now is writing up his experiences of many years field work and he is keeping communications alive through his homepage, from the ancient village of Kazaviti on the island of Thassos in the northern Aegean Sea. The conservation and re-activation of outstanding traditional values of Kazaviti stand at the centre of a local museum and documentation centre to be set up in one or even two old Macedonian stone houses.