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Das Mysterium des Weinfarbenen Meeres

Odyssee durch die Frühgeschichte der Weinkultur -  ein Filmentwurf

Wein gehört zu unserem täglichen Leben. Doch wer macht sich schon Gedanken über seine Geschichte, wo er erstmals kultiviert und wie er anfangs gekeltert wurde? Wem ist bewusst, welche uralten Traditionen um den Wein bis heute lebendig geblieben sind und wie reich und vielfältig sich die Archäologie des Weines darstellt? Welch’ große kultische Bedeutung er hatte und heute noch besitzt? Allerdings gibt es zu diesem Thema auch erstaunlich wenig direkte Forschung, und viel liegt trotz der großen Rolle des Weines in der menschlichen Gesellschaft noch im Dunkeln, blieb weitgehend unerforscht und rätselhaft.

Ich habe mich seit mehreren Jahren mit diesem Thema beschäftigt, vor allem in Griechenland, wo ich zu Hause bin. Nun möchte ich hierzu einen im Inhalt überraschenden und bildlich attraktiven TV-Bericht vorschlagen.

Zunächst möchte ich einen Einblick in einzelne Stationen der Odyssee skizzieren, das Thema und seine Gestaltung an Beispielen illustrieren:

  • Szenen in einer ursprünglich gebliebenen Hafentaverne auf den Kykladeninseln in der Ägäis. Fischer trinken in der Runde Ouzo und Rezinawein. Sie tanzen zu alten griechischen Liedern. Eine Reihe großer Fässer im Hintergrund....

Ein Fremder sitzt bei ihnen und feiert mit. Er erkundet die Geheimnisse des Weines und geht seiner Frühgeschichte nach, verbindet die Stationen und kündigt neue an. Etwas altmodisch gekleidet (vielleicht mit Weste, Krawatte und Schirmmütze), wie ein Forscher aus früherer Zeit. Sein Auftreten wirkt echt und persönlich engagiert. Er vermittelt Gediegenheit, aber auch abenteuerliche Atmosphäre.

Ich halte freundschaftliche Kontakte zu einem älteren Griechen, der bereit wäre, diese Rolle zu übernehmen: er stammt aus einer Winzerfamilie im berühmten Weinort Naussa, war in Athen Gymnasialprofessor für Französisch, hat weitreichende Kenntnisse zur griechischen Geschichte, Mythologie und Weinkultur. Wir leben nun im gleichen alten Weindorf Kazaviti (kommt als Schauplatz vor, s. weiter unten): Nikos Chatzinotas mit seiner französischen Frau und ich als Nachbarn. Ich könnte ja auch eine Rolle übernehmen: allerdings spreche ich kein Französisch, nur Griechisch.

  • Fortsetzung der Einleitungssequenz:

... Gegen Abend gehen alle an Bord der bunten Holzboote (Kaiki). Ausfahrt hinaus auf das „weinfarbene“ Meer. Zitate aus der Odyssee des Homer....

TITEL

  • Im Morgenlicht die Gestade von Santorini. Weinterrassen an den steilen Vulkanhalden. Traubenlese wie früher (Körbe, Esel). Barfüßig werden die Trauben in großen Bottichen zur Maische zerstampft. Singen und Folklore.

Abstieg in die aus der Vulkanasche ausgegrabenen Häuser. Spurensuche in

der minoischen Epoche: Wandmalereien und Gegenstände.

  • Kulte um den Wein im Altertum, vor allem der Dionysos-Kult (später Bacchus). Der Festzyklus der „Großen Dionysien“.

Dionysos, der den Menschen den Wein geschenkt hat, ist auch Gott der Fruchtbarkeit, der Erdverbundenheit, der Lebensfreude. Ekstasis: das „aus sich Heraustreten“. Das Gefühl, voll des Gottes zu sein, losgelöst von Sorgen, in Beziehung zur Wirkung des Weins. Dionysos ist auch Gott der Tragödien und Komödien. Man könnte im Film eine Kultfeier nachstellen oder Szenen aus einer Aufführung antiken Theaters zeigen.

Von Dionysos, seiner Gattin Ariadne und anderen Gestalten im Zusammenhang mit der griechischen Wein-Mythologie gibt es zahlreiche Vasenbilder, auch Statuen und Darstellungen auf Marmorfriesen, z.B. dem berühmten Parthenonfries ( noch in London) und dem Pergamonaltar ( in Berlin). In neuerer Zeit Michelangelo, Tizian. Die Oper „Ariadne auf Naxos“ und andere Werke.

Dionysos war ursprünglich kein griechischer Gott. Die Wurzeln zu seinem Kult reichen in die minoische Zivilisation und nach Thrazien.

  • Wo liegen die Ursprünge der Weinkultur und wo wurde erstmals Wein gemacht?

In Mesopotamien (bei den Sumerern) und in Ägypten wurde Wein bereits im 4. Jahrtausend bereitet.

Andere Spuren weisen nach Georgien. Hierzu gibt es archäologische Belege (Rebenstücke mit Silberbezug: mehr als 5.000 Jahre alt), auch geschichtliche Überlieferungen führen dorthin, z.B. Traditionen auf dem Heiligen Berg Athos, oder die mysteriöse Rebsorte Tsorzina (=die aus Georgien Stammende). Sie ist resistent gegen alle Rebseuchen, hat aber einen eigenartigen Geschmack. Forschungen in uralten Weindörfern am Schwarzen Meer. Auch bisher Unbekanntes kommt dabei zutage. Verbreitungswege führen bis nach Arabien. (Ich konnte z.B. im Sultanat von Oman alte Rebsorten im Akhdar-Gebirge feststellen. Ihre Kultivierung geht sicherlich auf vor-islamische Zeit zurück.)

  • Weinbau und Weinhandel in der griechischen Antike: zur klassischen Zeit war die Insel Thassos in der Nordägäis wichtigster Weinlieferant. Thassoswein durfte bei keinem großen Fest in Athen fehlen. Vasenbilder u.a.. Die „königlichen“ Weinberge des Dorfes Kazaviti auf Thassos sind seit der Antike bewirtschaftet. Im Museum wird das älteste Weingesetz der Welt, auf einer Marmortafel, aufbewahrt. Am Rande der Terrassenfelder Spuren einer antiken Amphorenwerkstatt. Im Museum auch Stempel und Maßringe aus Marmor, mit denen das Volumen der Amphoren = des Inhaltes gemessen wurde. Auch blieben Reliefs mit Darstellungen von Weinreben u.a. erhalten. Thassischer Wein wurde bis nach Ägypten verschifft, man fand im Meer bei Alexandria eine Amphore mit Thassoswein (Rotwein).
  • Weinkultur im Dorf Kazaviti auf Thassos heute: der Ortsname ist lateinischen Urspruchs: casa=Haus, vitis=Weinstock. Überlieferte Winzermethoden, fast ausgestorbene Sorten, das Keltern in den uralten mazedonischen Steinhäusern. Wein hatte noch vor 100 Jahren die größte Anbaufläche um das Dorf. (Manche Terrassenfelder wurden möglicherweise bereits von phönizischen Siedlern angelegt.) Im entbehrungsreichen, schlichten Alltag hatte Wein (Rotwein, mit Harz versetzter Weißwein) eine sehr wichtige gesellschaftliche, auch therapeutische Funktion; das Zusammenleben wurde wesentlich vom (mäßigen) Genuss von Wein und Ouzo (im Dorf hergestellter, doppelt gebrannter, mit Anis und Kräutern versetzter Schnaps aus Treber) beeinflusst.

Im Spätherbst wird Ouzo im Dorf gebrannt. Um den Brennkessel versammeln sich die Alten ( unser Protagonist ist auch hier dabei). Lebendige Erzählungen aus Folklore und Geschichte von Piraten, vom Heer des Xerxes, das unten am Meer überwinterte, von der guten alten Zeit, als das Dorf noch voller Leben war.

  • Eine weitere seit dem Altertum wichtige Weinbau-Insel ist Alonnisos (antik: Ikos, Ikaraia, Chelidromia) im Archipel der Nördlichen Sporaden. Allerdings hat die eingeschleppte Rebenseuche in den 60er Jahren 99% der Rebstöcke vernichtet. Nur in ganz isolierten Weingärten hat die alte Sorte überlebt. Ich habe 1958 Aufnahmen der noch gesunden Weinterrassen auf Alonnisos gemacht und 1977 den hochbetagten Einsiedlermönch Nektarios in seinem von der Rebseuche nicht erreichten Weingarten auf der benachbarten Insel Kyra Panagia gedreht.

Im Meer bei Alonnisos entdeckten Fischer mehrere antike Wracks, u.a. das älteste bisher in der Ägäis untersuchte Schiff, sowie einen Weinfrachter aus byzantinischer Zeit. Seine Ladung bestand aus über 3.000 Amphoren! Als unüberschaubares Feld liegen sie nun auf dem Meeresboden. Bunte Moostierchen, Schwämme und Algen wachsen auf den Amphoren: sehr eindrucksvolle Bilder. Ich habe Zugang zu professionellen Videoaufnahmen.

  • Der Heilige Berg Athos, wo das byzantinische Erbe lebendig geblieben ist. Wein hat in den Athos-Klöstern eine zentrale Funktion, sowohl im mönchischen Alltag als auch in der Liturgie: Mahlzeiten mit Wein in der Trapezaria, riesige Weinfässer in den Gewölben, um die Klöster Weinterrassen, Mönche arbeiten im Weinberg, ernten, keltern. Weinspalier im Klosterhof. Darstellungen von Fresken, Weinblätter als stilisiertes Dekor. In der Kirche die prunkvolle Liturgie. Weinkelch und Heilige Wandlung.

Ich habe bereits auf dem Athos gedreht, trotz der sehr strikten Beschränkungen. Es ist demnach möglich, eine Drehgenehmigung zu erhalten. Einige Szenen müsste man allerdings in alten Klöstern außerhalb des Athos drehen.

Weitere mögliche Stationen der Wein-Odyssee:

  • Versteckte, uralte Weintavernen in Athen. Nikos Chatzinotas kennt sie und die originellen Wirte alle bestens.
  • Weinkultur und Weinanbau im römischen Reich. Die Ausgrabungen von Pompeji.

In pompejanischen Häusern blieben Wandgemälde von Weingelagen (Bacchus), aber auch Zeugnisse der Weinherstellung erhalten.

Einige freigelegte, vor ca. 2000 Jahren kultivierte Weingärten – noch von den originalen Mauern umgeben – wurden wieder mit Reben bepflanzt. Die Trauben werden genauso wie zur römischen Zeit gekeltert. Hierzu gibt es gründliche archäologische Forschung, Originalgerät und römische Schriften. In der Gegend von Sevilla im südlichen Spanien ist die Technik der römischen Weinherstellung bis heute weitergepflegt worden.

  • Exkurs in die Weintradition von Klöstern der Katholischen Kirche. Römische Einflüsse auf Verbreitung und Methoden. Die Ausbreitung des Weinanbaus in Mittel- und Westeuropa, auch in Gegenden, die heute klimatisch zu unwirtlich sind, z.B. Oberbayern.
  • Wein in der Heilkunde, bis zur Gegenwart. Hierzu gibt es Spezialliteratur.
  • Verbindungen zur heutigen Konsumgesellschaft: Weintanker und Supermarkt. Daneben lebendige Relikte alter Weinkultur in Mitteleuropa.
  • Den Abschluss sollte ein Weinfest bilden, diesmal im uns vertrauten, einheimischen Rahmen, in einem historischen Städtchen mit langer Weinbautradition, in Deutschland oder im Elsass, dort wo Nikos Chatzinotas’ charmante Frau Anni aufgewachsen ist.

Oktober 2003

Autor und Copyright:

Dr. Thomas Schultze-Westrum

Kazaviti

GR 640 10 Prinos Thasou




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Über Thomas Schultze-Westrum

Dr. Thomas Georg Hans SCHULTZE-WESTRUM Author of Scientific and Popular Publications Producer and Director of Documentary Films and Videos Adviser in Nature Conservation and Preservation of Rural Cultures Initiator of Conservation Programmes German national. Born 1937 (Berlin). Classical education at the Benedictine monastery of Ettal in Upper Bavaria. Graduate of Munich University, with degrees in Zoology, Geology and Cultural Anthropology (Ethnology). Scholarship by “Studienstiftung des deutschen Volkes”. Research (University of Munich, other scientific institutions) and publications on social and population physiology of marsupials and other vertebrate fauna of New Guinea and the Mediterranean Region, cultural anthropology, conservation and resource management on the village level, mainly in Greece and New Guinea. Author of the books “New Guinea” (Berne 1972) and “Biologie des Friedens” (Biology of Peace), Munich 1974. Dr. Schultze-Westrum has joined for several years the Commissions on Ecology and Environmental Planning of the International Union for the Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN). He is the founder of the working group (IUCN Commission on Ecology) “Conservation and Traditional Life Styles” 1979; the “ECOCULTURE” Movement 1981; the “Gesellschaft für die Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen” GEH (Society for the Preservation of Old and Endangered Breeds of Domestic Animals) 1981; and the non-profit-making society “KALLIERGIA”, for traditional agriculture and village conservation in Greece, 1993. As a consultant he has worked for the EU, IUCN, OECD and WWF. As a film maker he has produced, directed and mostly also shot, for German television and international TV networks, 75 documentaries, mainly ecological portraits with emphasis upon the integration of local and traditionally living people into conservation projects. His first film (1974) was about alternative (sustainable) utilization of tropical rainforests in New Guinea, for ZDF. Never Dr. Schultze-Westrum has entered any of his films into an award winning competition, because he is more concerned about the effects of his TV work in actual conservation and public awareness. One of these real awards was the creation of the Marine National Park Alonnisos Northern Sporades in Greece as a result of his film “The Coast of the Monk Seals” in 1976/77 for ZDF (ratings 36 % - shown in 11 countries). His programme “Green Desert”, about traditional water management in the Sultanate of Oman was distributed by the Television Trust for the Environment TVE to 44, mainly Third World, countries. Another leading aspect of his film work was the production of environmental films for the people of the country where he was filming. So, he produced the first TV series of films on ecology, rural life styles and conservation for Greece (in the early 80’s, 14 programmes) and for the Sultanate of Oman (late 80’s, 12 films). His deep interest in ancient human traditions inspired him to produce “Omani Seafaring”, for Oman TV; “Im Kielwasser Sindbads” (In the Wake of Sindbad), for the series Terra X of ZDF; and “Insel der Magier” (Island of the Sorcerers: Waigeo) for ARTE TV. After retiring from TV film production at the end of 2002 he is returning to his earlier scientific work (abandoned in the early 70’s) about the social and population physiology of marsupials ( Petaurus breviceps papuanus and closely related species); village based conservation; the evolution of human communal behaviour and cultural diversity; and the evolution of art styles in the Papuan Gulf province of New Guinea. Since 1992 he is also involved in eco- and agrotourism programmes that are based on his earlier promotion of this alternative “soft” tourism through publications and films, in Greece and West Papua. His conservation activities are continuously focussed on Greece and New Guinea, since 1957 and 1959, respectively. Dr. Schultze-Westrum now is writing up his experiences of many years field work and he is keeping communications alive through his homepage, from the ancient village of Kazaviti on the island of Thassos in the northern Aegean Sea. The conservation and re-activation of outstanding traditional values of Kazaviti stand at the centre of a local museum and documentation centre to be set up in one or even two old Macedonian stone houses.